Geschätzte 36 Millionen Menschen in der EU leiden an Krankheiten, die so selten sind, dass sie kaum ein Arzt kennt oder diagnostizieren kann. In Österreich sind es ca. 400.000. Wegen der geringen Fallzahlen fallen sie aus dem Rahmen unseres Gesundheitswesens: Es fehlen Spezialisten und es gibt so gut wie keine Medikamente und Therapien. Nächste Woche tagen darüber in Salzburg Experten.
Rund 7.000 verschiedene Krankheiten sind heute bekannt, die pro 100.000 Einwohner höchstens 50 Mal vorkommen. Für die Pharmaindustrie sind sie damit kein lukratives Betätigungsfeld, und die medizinische Forschung konzentriert sich naturgemäß auf häufigere Krankheitsbilder. Dennoch haben sich da und dort Ärzte intensiv mit einer dieser Erkrankungen beschäftigt und Expertise erworben, wie beispielsweise das Uniklinikum Salzburg mit der Krankheit der "Schmetterlingskinder". "Aber das beruht auf Freiwilligkeit und außerordentlichem Engagement, für das es keine finanzielle Unterstützung gibt", bemängelte heute, Mittwoch, Rainer Riedl, der Obmann von "Pro Rare Austria", bei einem Pressegespräch in Salzburg.
Salzburg ist in Bezug auf diese Erkrankung inzwischen Europäisches Expertise-Zentrum und damit auch internationale Anlaufstelle. "Wir fordern daher für jedes Zentrum eine Basisfinanzierung von zumindest 60.000 Euro im Jahr", sagte Riedl. In Österreich gibt es zurzeit nur ein weiteres solches Zentrum, die pädiatrische Onkologie im St. Anna Kinderspital in Wien, fünf weitere haben aber den Zertifizierungsprozess abgeschlossen und werden demnächst in eines der 24 europäischen Netzwerke mit rund 900 Zentren aufgenommen.
Deutlich schwieriger zu realisieren erscheint das zweite Ziel von Pro Rare: die Verkürzung der Diagnosezeit auf ein Jahr. Denn derzeit durchlaufen die Patienten meist einen leidvollen Spießrutenlauf: Nach dem achten Arzt und knapp fünf Jahren wird im Schnitt eine seltene Erkrankung erkannt. Hier sei es wichtig, die niedergelassenen Ärzte zu sensibilisieren, damit diese allenfalls ein Zentrum für seltene Krankheiten kontaktieren. Es geht aber auch hier ums Geld: "Für ein komplexes Diagnosegespräch ist mehr Zeit erforderlich, und das ist in der Kassenmedizin nicht möglich", sagte der Salzburger Internist und Zweite Landtagspräsident Sebastian Huber. Die sogenannte therapeutische Aussprache werde derzeit gerade einmal mit rund 15 Euro abgegolten. Eine Abkürzung der Diagnosestellung würde außerdem unnötige Arztbesuche, Spitalsaufenthalte und Therapiekosten einsparen.
Forderung Nummer drei ist schließlich die Anerkennung von Pro Rare als Interessenvertretung, eine jährliche Basisfinanzierung von 50.000 Euro und eine stärkere Einbindung in gesundheitspolitische Gremien und Entscheidungsprozesse, sagte Riedl.
Kommende Woche (8. und 9. November) treffen sich an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg Experten zum 10. Österreichischen Kongress für seltene Erkrankungen.
Hier geht's zum Artikel der Salzburger Nachtichten!
Quelle: www.sn.at/leben/gesundheit/kongress-zu-seltenen-krankheiten-in-salzburg-stiefkinder-im-gesundheitswesen-78476791 © Salzburger Nachrichten VerlagsgesmbH & Co KG 2019